Was ist eine „Funktionale Ausschreibung“?
Wie die öffentliche Hand Aufträge zu vergeben hat, regelt unter anderem die Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (kurz: Vergabeverordnung – VgV). Eine weitere Bestimmung ist die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A). Beide legen einen verbindlichen Handlungsrahmen fest.
Kommt es zur Vergabe eines Bauauftrags der öffentlichen Hand bildet die Leistungsbeschreibung für das zu vergebende Objekt das grundlegende Element für die Angebotskalkulation der beteiligten Bieter. Der Bauherr beschreibt darin umfassend und mit hohem Genauigkeitsgrad entsprechend seinem Bedarf die Eigenschaften des fertigzustellenden Bauwerks. (§ 31 Abs 2 Nr.1 VgV)
Ein wichtiger Grundsatz ist dabei, dass die Beschreibung der gewünschten Leistungen so exakt formuliert sein muss, dass alle beteiligten Bieter die Ausschreibung im gleichen Sinne verstehen können. Ansonsten wäre ja auch ein Vergleich der vorliegenden Angebote nicht möglich.
Wie die Leistungsbeschreibung erfolgt, ist dem Auftraggeber überlassen. Es bieten sich hierzu die Aufstellung eines Leistungsverzeichnisses (de Facto eine detaillierte Liste) oder die Ausschreibung über ein Leistungsprogramm (funktionale Ausschreibung) an. Und da liegt der Hase im Pfeffer!
Bei der letztgenannten Form wird nicht beschrieben, welche Leistungs- und Funktionsanforderungen oder technischen Spezifikationen gefordert sind, sondern ausschließlich in einer Beschreibung die zu lösenden Aufgabe beschrieben (§31 Abs 2 Nr.1 VgV). Es reicht also aus, Zweck, Funktion und weitere Rahmenbedingungen aufzuführen.
Diese Ausschreibung bietet sich an, wenn der Auftraggeber nicht über das nötige Fachwissen verfügt, was wir in keinem Fall der Gemeindeverwaltung unterstellen! Er überlässt die technische, wirtschaftliche und gestalterische Ausführung dem Anbieter. Verbunden mit einer Kostengrenze für die Ausschreibung, wird dieser eine Lösung suchen, die er aus seiner Sicht für geeignet hält. Ein Teil der planerischen Arbeit wird also an den Bieter delegiert.
Der Auftraggeber erhält möglicherweise nicht die Qualität, die er sich vorgestellt hat. Das Risiko beim Bieter liegt in einer fehlerhaften Kalkulation der selbst ermittelten Mengen.
Interessant ist besonders, dass die funktionale Ausschreibung für folgende Bauwerke besonders zweckmäßig ist: Parkhäuser, Brücken, Fertigteilbauten und ähnliche! Beispiele für Kindergärten konnten wir im Internet nur sehr vereinzelt finden.
Ein letzter Punkt ist für uns ebenso bemerkenswert. Im Zuge der funktionalen Ausschreibung werden in der Regel Generalunternehmen beauftrag, die mit Sub-Unternehmen den Auftrag ausführen. Hier sind besonders unter Berücksichtigung der Bauzeiten Preissteigerungen zu erwarten, die den Kostenvorteil gegenüber der Kostenkalkulation im Rahmen einer Ausschreibung mittels Leistungsbeschreibung kompensieren können.
Das von der Gemeindevertretung beschlossene Vergabeverfahren ist für einen Kindergarten „ungewöhnlich“ und so konnte man es in der jüngsten Gemeindevertreterversammlung auch heraushören, dem Zeitdruck geschuldet. Es mag ja einfacher sein, ein Unternehmen zu finden, das diese Form des Auftrags annimmt. Was letztlich dann nach Fertigstellung als Kindergarten in der Gemeinde steht, liegt zu weiten Teilen nicht mehr in der Hand der Gemeinde/des Auftraggebers. Die Fördermittel fließen im schlechten Fall dann auch in ein Gebäude, das genauso gut als Büroraum genutzt werden könnte. Hoffen wir gemeinsam, dass der Autor dieses Artikels sich irrt!