Redebeitrag zum Antrag der Verwaltung "Beratung und Beschlussfassung über eine Beteiligung der Gemeinde Münster an der ENTEGA Kommunale Beteiligungsgesellschaft GmbH durch Erwerb von Geschäftsanteilen von der ENTEGA AG", GVS vom 04.04.2022

Fangen wir mal mit den positiven Punkten an:

  1. Wir haben die Möglichkeit, uns an unserem Energienetz über eine Investition finanziell zu beteiligen und gemeinsam mit den anderen beteiligten Kommunen Kontrolle und Mitbestimmung zu bekommen.
  2. Wir können etwa ein Drittel unserer Kassenguthaben in dieser Beteiligung parken und sparen damit nicht nur Guthabengebühren, sondern bekommen auch bis 2028 eine Gewinnausschüttung, die ich umgangssprachlich einmal Verzinsung nenne. Diese soll im Fall einer nur geringen Beteiligung der in Frage kommenden Kommunen (ca. 15% Anteil) bei etwa 4% liegen. Der Vorteil würde sich bezogen auf die Verzinsung um die eingesparten Guthabengebühren sogar erhöhen.

Als wir uns vor etlichen Wochen in der Fraktion darüber beraten haben, waren wir überzeugt, dass kann man machen – muss es vielleicht sogar.

Mit dem 24.Februar 2022 hat sich vieles geändert. Clausewitz hat in seinem Buch „Vom Kriege“ geschrieben – Krieg sei die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.

Wie weit war jahrzehntelang diese Vorstellung ins Unmögliche ja Abstruse in unserer Vorstellung gerückt.

Seit 6 Wochen führt Russland einen an Brutalität nicht zu steigernden Angriffskrieg gegen die Ukraine. Dies hat Auswirkungen, die wir gemeinsam in der Fraktion bezogen auf diese Beteiligung diskutiert haben.

Die Erzeugerpreise sind im Februar mit über 25% gegenüber Vorjahr so stark gestiegen, wie seit 1949 nicht mehr. Die Inflationsrate wird von allen Analysten dramatisch nach oben angepasst. Für den März rechnet man mit +7,3% ggü. Vorjahr. Kein Marktteilnehmer geht davon aus, dass sich die Inflation schnell wieder dem 2%-Ziel nähert. Das hat Auswirkungen auf die Zinspolitik der EZB und ich kürze jetzt mal deutlich ab – das hat in der Konsequenz auch sicher Auswirkungen auf die Guthabenbestrafung der Banken für Anleger. Vielleicht nicht kurzfristig, aber eventuell schon 2023.

Damit wäre ein Grund für die Beteiligung hinfällig.

Mit der Überlassung der gesamten Vertragsunterlagen konnten wir dann vor 3 Wochen intensiver in die Beurteilung einsteigen.

Ein paar Gedanken möchte ich dazu gerne teilen:

Steigende Zinsen können eine positive Auswirkung auf Gewinnbeteiligung haben. Also uns mehr Rendite bringen. Aber wovon reden wir?

Lassen wir es mal krachen und steigern die Rendite von 4% auf 6% p.a. Dann erzielen wir pi mal Daumen 24.000 EURO p.a. Hilft der Ertrag unserer Gemeinde aus dem Haushaltssicherungskonzept? Wohl eher nicht!

Bleibt noch der Pluspunkt einer Beteiligung mit Stimmrecht an dem Gasnetz. Wirklich wichtig wäre dann das sogenannte Vetorecht. Dafür müssen sich fast alle 60 Kommunen beteiligen. Erst dann haben wir eine Beteiligung von 25,1%. und können zu Entscheidungen auch mal nein sagen.

Ist das realistisch? Wir wissen es nicht, glauben aber, dass wir mit unserer Skepsis nicht alleine sein werden.

Eine Frage, die wir nicht genau beantworten können, ist folgende:

Was passiert 2025, wenn das Gasnetz neu ausgeschrieben werden muss und die ENTEGA das Gasnetz abgibt? Dann ist unsere Beteiligung zur sofortigen Rückzahlung fällig. Wir müssen dann einen durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ermittelten Rückerwerbskaufpreis akzeptieren. Das gilt im Übrigen zu jedem denkbaren Rückzahlungszeitpunkt. Eine Wahl haben wir dann nicht!

Und dann haben wir uns die Mühe gemacht, die uns überlassenen 489 Seiten Unterlagen durchzuarbeiten!

Darin enthalten sind auch 60 Seiten Risikoaufklärung. Es bestehen zahlreiche Risiken, die wir hinsichtlich der Eintrittswahrscheinlich in keiner Weise einschätzen können, wie beispielsweise das Zinsänderungsrisiko, das zum Ausfall der Gewinnausschüttung bis zum Verlust der Einlage führen kann.

Es gibt auch Risiken, so unwahrscheinlich sie auch sein mögen, die einen Durchgriff auf das Vermögen der Gemeinde zulassen. Ja, das ist extrem unwahrscheinlich, aber die Auswirkung wäre desaströs. Beide Aussagen sind wichtig!

Dass dann noch das Zerstörungsrisiko durch Krieg erwähnt wird – den Satz hat man Jahrzehnte lang in die Prospekte reinkopiert, ohne sich was dabei zu denken. Wir tragen also auch dieses Risiko bis hin zum Totalverlust. „Dann ist eh alles egal?“ So denken wir nicht, und so wollen wir schon gar nicht handeln!

Es gibt Pensionsverpflichtungen, die die Netzgesellschaft von der Entega übernommen hat. Zumindest haben wir im HFA erfahren, dass da schon Ausgleichszahlungen in die Pensionskasse gezahlt werden mussten. Diese schmälern den Gewinn später auch für uns als Anteilseigner.

Ich könnte noch viele weitere Punkte anführen, aber ich will es abkürzen und zum Ende kommen.

Eine einfache Frage kann für uns zur Entscheidung führen: „Würden wir das Investment auch mit unserem eigenen Geld eingehen?“ Unsere Antwort ist nein!

Dann wollen wir auch nicht das Geld unserer Gemeinde dafür verwenden. Das gebietet für uns das Vorsichtsprinzip!

Die FDP-Fraktion wird diesem Antrag also nicht zustimmen.