„Münster hat ein Einnahmenproblem“ - Eine Bewertung von Jörg Schroeter

„Münster hat ein Einnahmenproblem“
Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Laut einer Information des verstorbenen hessischen Finanzministers Thomas Schäfer (CDU) aus dem Jahr 2018 hatte sich die finanzielle Lage der hessischen, Kreise, Städte und Gemeinden seit 2014 „fundamental gebessert“. Für 2018 wurde erwartet, dass 97% aller hessischen Kommunen mit einem ausgeglichenen Haushalt abschließen würden. Ich meine mich gut zu erinnern, dass der damalige Bürgermeister stolz war, dass auch Münster ein ausgeglichenes Ergebnis vorweisen konnte und darüber hinaus die Kreditrückzahlungen mit über 600.000 EURO dotiert gewesen seien.

Was also hat dazu geführt, dass Ende 2019 eine Haushaltssperre erforderlich war, diese 2020 erneut griff und 2021 Münster sich einem Haushaltssicherungskonzept unterwerfen muss?

Aus meiner Sicht können hier zwei Faktoren eine Rolle spielen:

Erstens ein Haushaltsentwurf antizipiert immer eine Erwartung in die Ertragsentwicklung des Folgejahres. Mit dieser Erwartung kann man falsch liegen, besonders wenn äußere Ereignisse signifikant auf einzelne Ertragsbestandteile einwirken. Dies können z.B. Wirtschafts- oder Finanzkrisen sein, die auf die Unternehmen durchschlagen. Oder aber Insolvenzen, besonders wenn sie große Gewerbesteuerzahler vor Ort betreffen. Letzteres würde sowohl Auswirkungen auf die Gewerbsteuer- und auf die Einkommensteuereinnahmen der Kommune haben.

Zweitens, und das wäre fatal, eine Finanzplanung unter dem Prinzip Hoffnung. Ich meine damit, Warnungen oder Befürchtungen werden beiseitegeschoben, um Investitionsvorhaben doch noch irgendwie durchführen zu können. Gleiches gilt für Ausgaben, die getätigt werden, weil in der Zukunft Einnahmen erwartet werden, die dann aber ausbleiben.

Die positive Entwicklung der Kommunen in den Jahren 2014 – 2018 hatte einen wesentlichen Treiber, nämlich den Aufschwung der Wirtschaft nach Finanzmarkt- und Staatsfinanzenkrise. Dieser Aufschwung kam den Unternehmen und weniger der Arbeitnehmerschaft zugute, was unter anderen die SPD und die Sozialverbände immer wieder bemängelten.

Dieser Aufschwung ging leider an Münster vorbei. Die Aussage von Herrn Schäfer (siehe oben) traf leider auf Münster nicht zu. Wie sieht es denn heute aus?

Dazu habe ich Zahlen des Jahres 2019 des Hessischen Statistischen Landesamtes untersucht.

Zur Systematik:

Um eine relevante Vergleichsgruppe zu schaffen, wurden alle 82 Kommunen mit einer Größe von 11.000 – 19.000 Einwohnern ausgewählt. Der Standort (strukturschwache Gegend oder Ballungsraum) blieb dabei unberücksichtigt. Meine Erwartung war, dass dies Münster eher im Vergleich begünstigen würde, da wir ja im Speckgürtel des Rhein-Main-Wirtschaftszentrums liegen.

Zu den Zahlen:

Münster erzielte ein positives Finanzergebnis aus laufender Verwaltungstätigkeit, wenngleich die Punktlandung mit 77.000 EUR nur durch harte Sparmaßnahmen in Form der Haushaltssperre erreicht werden konnte. Ganz anders sieht es aber mit dem Saldo der Ein- und Auszahlungen aus der Investitions- und Finanzierungstätigkeit aus. Das Minus in Höhe von 1.1 Mio. EUR ist gravierend. Wie sah es in unserer Vergleichsgruppe aus? Noch schlechter: Das Ergebnis war mit -2,2 Mio. EUR deutlich negativer als in Münster. Das kann uns aber nicht beruhigen, da die Basis in Münster schlechter ist. Insgesamt kam es also nach den Zahlen, die mir zur Verfügung stehen, zu einer Abnahme des Finanzmittelbestands, was wiederum durchschlägt auf die maximal zulässige Obergrenze für die Kreditaufnahme.   Es wird im Vergleich zu wenig investiert, da hinreichende Einnahmen fehlen. Münster fährt vereinfacht gesagt seit längerem auf Verschleiß.

Vergleichen wir die Steuereinnahmekraft je EinwohnerIn fällt auf, dass Münster (922 EUR) wesentlich schlechter dasteht als die Vergleichsgruppe (1.300 EUR). Bei dem Wert handelt es sich um eine statistische Größe, die die Steuereinnahmekraft der Kommunen unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Realsteuerhebesätze (Grundsteuer, Gewerbesteuer) vergleichbar machen soll. So fließt in die Berechnung neben der Einkommensteuer auch die Gewerbesteuer mit ein. Diesen Wert beklagte im Übrigen auch der ehemalige Bürgermeister hin und wieder, wenn es um die Ertragskraft Münsters ging und verglich sie gerne mit Dieburg (2019: 2.078 EUR).

Kommen wir zur letzten und meiner Meinung für Münster wichtigsten Kennzahl, der Gewerbesteuer. Münster 2019: 2,1 Mio. EURO; Vergleichsgruppe 6 Mio. EURO! Zur Erinnerung, ich vergleiche Münster mit 82 Kommunen ähnlicher Größe aus ganz Hessen. Es werden also bei gleicher Größe im Schnitt 3,9 Mio. EURO weniger Gewerbesteuer eingenommen!*

Bewertung

Zu wenig Ertrag starkes Gewerbe und damit zu geringe Gewerbesteuereinnahmen sind ein aus meiner Sicht wesentlicher Grund für die im Vergleich schlechtere Entwicklung der Gemeindefinanzen der letzten Dekade. An einem zu erwartenden Aufschwung nach der Pandemie nimmt Münster erwartbar wieder nur unterdurchschnittlich teil, da Münster Gewerbe fehlt. Die Einkommensteuerzuweisungen werden dies wie in der Vergangenheit nicht kompensieren.

Was ist von der Idee zu halten, einkommensstarke Zuzügler nach Münster zu locken? Wir glauben nicht, dass das Frankenbachgelände an der Dreieichbahn und in unmittelbarer Nähe zur B45 eine Klientel anzieht, die im Einkommen deutlich über der Münsterer Bevölkerung liegt. Das Schaffen von Wohnraum für Münsterer BürgerInnen auf dem Gelände, würde zumindest das beschriebene Problem nicht lösen können. Zudem würden Folgeinvestitionen und jährliche Kosten für z.B. einen dann dringend erforderlichen neuen Kindergarten entstehen. Wir brauchen Wohnraum, das ist unbestritten, aber solange es Möglichkeiten der Innenverdichtung und andere Möglichkeiten gibt, sollten diese genutzt werden.

Münster braucht aus den vorgenannten Gründen dringend eine Weichenstellung hin zu einem ausgewogeneren Einnahmemix, der den Gemeinden vergleichbarer Größe entspricht.

Ja, wir sind uns der damit verbundenen Schwierigkeiten bewusst. Das Gelände wurde für ein Gewerbegebiet zu teuer eingekauft. Deshalb rechnen wir mit einem Verlust beim Verkauf der Grundstücke an Unternehmen und Gewerbetreibende. Das ist bitter, aber für uns eine Investition in die Zukunft. Auf den Zuwachs der Einwohnerzahl zu setzen ist für uns die langfristig schlechtere Alternative.

Fußnote / Quellen
Eigene Berechnungen