Ein Blick in Gegenwart und Zukunft der grundschulischen Betreuung im Landkreis Darmstadt-Dieburg

Margarete Sauer, Kandidatin der FDP auf Listenplatz 2 für die Kreistagswahl am 14. März

Vier Fragen an Dr. Margarete Sauer, ehrenamtliche Kreisbeigeordnete mit dem Geschäftsbereich „Betreuungsangebote an Schulen“

Im schulischen Alltag der Jüngsten ist in Münster und im Landkreis Darmstadt-Dieburg in den letzten Jahren nicht zuletzt wegen des Engagements von Frau Dr. Margarete Sauer, der ehrenamtlichen Dezernentin für die Betreuungsangebote an Schulen, einiges passiert. „Pakt für den Nachmittag“ und „Pakt für den Ganztag“ sind Begriffe, die vermutlich erst einmal nur Eltern von Kindern im Grundschulalter etwas sagen.

Wir meinen, dieses Engagement sollten alle BürgerInnen kennen, die sich um die Bildungs- und Zukunftschancen unserer Kinder sorgen.

Wir haben deshalb Frau Dr. Sauer zu ihrer Arbeit im Auftrag des Kreises vier Fragen gestellt.

FDP Münster Altheim: Frau Dr. Sauer, wir kennen den Pakt für den Nachmittag, aber nun haben wir vom Pakt für den Ganztag gehört. Was ist das?

Margarete Sauer: 2015 hat das Land Hessen mit seinen Schulträgern und Standortkommunen einen „Pakt“ für die Kinder und deren Zukunftschancen geschlossen. Man hat beschlossen, die „nachschulische Betreuung“ gemeinsam zu finanzieren und vor allem so auszubauen, dass sie im ganzen Land einheitlich und verlässlich für die jungen Familien vorgehalten werden kann.

Das war dringend notwendig geworden, denn die Kommunen, Fördervereine und engagierten Eltern waren durch die stetig gestiegene Nachfrage mit Hausaufgabenbetreuung, Spiel- und Bewegungsangeboten, Raum- und Personalproblemen und auch dem Abarbeiten von Wartelisten an die Grenze des Machbaren gestoßen.

In dieser Situation versprach das Land zusätzliche Lehrerstellen, der Schulträger den Bau von Mensen und Räumen für die Betreuung und die Kommunen sicherten die Betreuung am späten Nachmittag – so entstand der Pakt für den Nachmittag (PfdN), ein Ganztagsangebot, in dem sich bis 14:30 Uhr u. a. Lehrkräfte, Sozialpädagogen und Betreuungskräfte gemeinsam um die Kinder kümmern, danach bis 17:00 Uhr die Betreuungskräfte allein.

Fünf Jahre sollte diese Pilotphase des Landes Hessen, durchgeführt in Darmstadt und dem Landkreis, dauern, die Teilnahme war freiwillig. Von 63 Grund- und Förderschulen des Landkreises sind inzwischen 51 Schulen dabei. Dies beweist, dass das Angebot auf großes Interesse gestoßen ist.

Eigentlich sollte nach Abschluss der fünfjährigen Pilotphase, also ab 2020, der PfdN in „Pakt für den Ganztag“ umbenannt werden. Das Hessische Kultusministerium wollte damit zum Ausdruck bringen, wie wichtig ihm der flächendeckende Ausbau des Pakts ist, den es jährlich mit einigen Hundert Lehrerstellen unterstützt.

Dabei geht es nicht nur um die Menge der Pakt-Schulen, sondern auch darum, dass der Unterricht am Vormittag und die Betreuung am Nachmittag enger zusammen, ja, ineinander wachsen und jede Pakt-Schule den „ganzen Tag“, also die Zeit bis 14:30 Uhr, selbst gestalten kann. Den Tagesplan, die Reihenfolge der Fächer, soll jede Schule nach den Bedürfnissen der Kinder frei gestalten können. Lernen und üben – das kann man nämlich am besten zwischen 9:00 Uhr und 11:00 Uhr, singen, malen und turnen, dazu hat man auch nach dem Essen noch Kraft und Lust. So einen Schultag nennt man „rhythmisiert“, weil er sich dem natürlichen Lernrhythmus der Schülerinnen und Schüler anpasst und Anspannung mit Entspannung abwechselt, was an einem kurzen Vormittagsschultag nicht möglich ist.

Damit das möglich ist, müssen aber natürlich alle Kinder einer Klasse im PfdN angemeldet sein, denn ansonsten geht ja ein Teil der Kinder, eben die, die keine Betreuung wollen oder brauchen, mittags nach Hause. Der Pakt für den Ganztag wollte im Grunde auch dafür werben, dass mehr Kinder an diesem Angebot teilnehmen. Aber dann wurde die Einführung der neuen Bezeichnung verschoben, weil der Begriff zwar in den Koalitionsverhandlungen nach der letzten Landtagswahl vorkommt, aber nicht im entscheidenden Schulgesetz bzw. der Ganztagsrichtlinie – und deshalb wird er wohl erst in Kraft treten, wenn beides novelliert ist.

Was ist Ihre Aufgabe dabei?

Ich besuche die Grundschulen und versuche die Schulleitungen und ihre Lehrerkollegien davon zu überzeugen, wie sinnvoll eine solche Veränderung des Schultags für die Kinder ist und dass sie sich deshalb dem PfdN anschließen sollen. Gleichzeitig berate ich zusammen mit den Schulleitungen die Eltern, wie sinnvoll diese Verlängerung und Entspannung des Schulvormittags für ihre Kinder ist. Die Eltern, die (beide) berufstätig sind oder auch die Alleinerziehenden, muss man nicht groß überzeugen, die brauchen dieses Angebot. Ihnen ist aber wichtig, dass das Angebot verlässlich ist und vor allem Qualität hat. Meldet sich die Schule für den PFdN an, kann sie mit Beginn des neuen Schuljahrs in den Pakt einsteigen.

Bis dahin gibt es viel zu tun. Das Kollegium muss unterstützt werden, denn man muss natürlich ein Konzept entwickeln, wie denn der Ganztag konkret in den einzelnen Jahrgängen aussehen soll. Dabei hilft das Staatliche Schulamt. Der Landkreis muss schnellstmöglich dafür sorgen, dass eine funktionsfähige Mensa und die zusätzlichen Räume auch zum Schuljahresbeginn bezugsfertig sind. Da das natürlich nicht in einem halben Jahr geht, hat der Landkreis schon vor über zehn Jahren damit begonnen, alle seine 81 Schulen „ganztagstauglich“ zu machen. Mehrere Hundert Millionen Euro sind inzwischen in dieses Schulbauprogramm investiert worden. Der Landkreis muss Fragestellungen wie Mittagsverpflegung und Schülertransport ausschreiben und organisieren. Und die Kommunen müssen ihren finanziellen Beitrag in ihren Haushalten einplanen und sich bei der Ferienbetreuung beteiligen, denn auch die ist Bestandteil des Pakts.

Ich versuche die Abläufe zu koordinieren, alle Beteiligten zu beraten, das Bestmögliche zu gestalten, aber manchmal auch hochfliegende Pläne einzudämmen. So reise ich von Schule zu Schule, besuche Bürgermeister und Ausschüsse, nehme an den entsprechenden Sitzungen des Da-Di-Werks, unserer Schulbauabteilung, und des Schulservices teil. Es ist inzwischen mehr als ein Ganztagsjob, das kann ich Ihnen versichern.

Was für ein Ziel haben Sie sich für die nächsten Jahre gesetzt?

Anfangs ging es mir nur darum, den Pakt überhaupt bekannt zu machen und möglichst viele Schulen auf dem Weg dorthin zu begleiten. Seit etwa zwei Jahren wissen wir aber, dass die Bundesregierung plant, bis 2025 ein Gesetz einzubringen, das einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz beinhaltet. Und deshalb möchte ich mich die nächsten Jahre dafür einsetzen, dass alle Schulen im Landkreis pädagogisch und räumlich so entwickelt sind, dass sie dem PfdN/G beitreten können. Nur so kann sichergestellt werden, dass 2025 jedes Kind, das einen Ganztagsplatz braucht, den auch an seiner Schule bekommen kann. Aber ich werde mich nicht nur damit begnügen, dass genügend Plätze da sind, sondern das Angebot soll auch pädagogisch hochwertig sein. D. h. wir müssen uns auch darum kümmern, dass das Personal gut ausgebildet ist, und jeder weiß, wie groß der Bedarf an Fachpersonal für Grund- und Förderschulen, aber eben auch für die Ganztagsangebote ist. Die Menschen, die sich für diese schwierige Aufgabe als Beruf entscheiden, brauchen eine gute Aus- oder Weiterbildung, angemessene Bezahlung, vor allem aber Wertschätzung und an der fehlt es in unserem Land – darunter leiden alle sogenannte Care-Berufe, das hat die Corona-Krise ja ganz deutlich gemacht. Hier will ich mich mit aller Kraft für eine Verbesserung einsetzen.

Wo ist der Nutzen für die Kinder? Und für die Eltern?

Durch die veränderten gesellschaftlichen Bedingungen, also die Berufstätigkeit der Eltern, mehr Alleinerziehende, mehr Patchwork-Familien, mehr Familien mit Migrationshintergrund, weite Wege zur Arbeit u. ä. muss die Förderung, die die Kinder früher zu Hause und unter Gleichaltrigen erhielten, in der Schule geleistet werden, sonst hat ein Großteil der Kinder nicht die Bildungschancen, die sie brauchen, um mit einem guten Schulabschluss die Ausbildung erfolgreich zu bestehen. Welche wiederum die Grundvoraussetzung ist um ein selbstbestimmtes und erfolgreiches Leben zu führen. Und die Eltern brauchen Entlastung, brauchen ein Ganztagsangebot, das ihnen erlaubt, Familie und Beruf zu vereinbaren – für den Lebensunterhalt zu sorgen, ohne fürchten zu müssen, ihren Kindern etwas vorzuenthalten, und danach Muße und Kraft für gelungene Familienzeit zu haben.

Zur Person:

Margarete Sauer war Schulleiterin des Max-Planck-Gymnasiums in Groß-Umstadt und hat in den letzten fünf Jahren als ehrenamtliche Dezernentin dafür gesorgt, dass das Betreuungsangebot an den Grund- und Förderschulen die beste Qualität erreicht. Bildung und Betreuung sind ihre Leidenschaft, dafür setzt sie sich ein.